Das folgende Rede ist im Berlin Forum der Stiftung Zukunft Berlin mit Joe Chialo, Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, am 15. April 2024 im Radialsystem gehalten worden:
Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Herr Kultursenator,
ich begrüße Sie recht herzlich im Namen des Forums Zukunft Kultur in der Stiftung Zukunft Berlin - und freue mich wirklich sehr, dass wir uns heute im Berlin Forum mit Kunst und Kulturpolitik beschäftigen.
Zur Vorbereitung haben wir im Vorfeld ein Thesenpapier verfasst und Ihnen allen zugesendet. Dieses Thesenpapier bildet die Grundlage für den heutigen Abend. Im Kern skizzieren wir darin 5 Handlungsfelder, die aus unserer Sicht besondere Priorität haben sollten. Zum Einstieg möchte ich sie hier kurz in Erinnerung rufen:
- Es müssen langfristige Zukunftsvisionen im Dialog mit der Bürgerschaft formuliert werden, um anspruchsvolle und tragfähige Entwicklungen auch tatsächlich umsetzen zu können!
- Es müssen viel mehr Kreative Freiräume für Kunstproduktion und Kunstpräsentation gesichert werden, um die Bedeutung als internationale Kunstmetropole aufrechtzuerhalten.
- Es müssen die internationalen Beziehungen und das Humboldt Forum gestärkt werden, um einen aktiven Beitrag zur transkulturellen Verständigung und Bewältigung globaler Krisen zu leisten.
- Es müssen Vielfalt und Zusammenhalt aktiv gestaltet werden, um den inneren Frieden und die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten!
- Es muss massiv in kulturelle Bildung und kulturelle Teilhabe investiert werden, um gerade die jüngere Generation zu ermächtigen, die vor ihr liegenden Herausforderungen auf kreative Weise meistern zu können!
Alle diese Themen sind keineswegs neu. Ganz im Gegenteil. Als Arbeitsgruppe begleiten wir die Berliner Kulturpolitik seit vielen Jahren und müssen leider beobachten, dass die Probleme eher größer als kleiner geworden sind. So stand die Sicherung von Räumen für künstlerische und kulturelle Aktivitäten spätestens seit Tim Renner auf der Agenda der Kulturverwaltung. Das heißt, dass wir bestimmte Themen nunmehr seit über zehn Jahren auf dem Tisch liegen haben und – abgesehen von ein paar wenigen Rettungserfolgen - keine wirklich substantielle Verbesserung sehen. Vielmehr schreiten die Verdrängung und der Verlust von Ateliers, Ausstellungsräumen, freien Theatern, Clubs und auch bezahlbarem Wohnraum immer weiter voran. Ähnliches gilt auch für andere Themen wie Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung, Armutsbekämpfung, und vieles mehr. Manchmal geht es sogar einfach wieder rückwärts – man denke nur an die Verkehrswende.
Auch wenn es uns als Berliner*innen schwerfällt, müssen wir uns also wohl oder übel eingestehen, dass dieser Schlingerkurs nicht zum Ziel führt und die bisherigen Bemühungen anscheinend nicht ausgereicht haben, um bei wichtigen Zukunftsthemen substantiell voranzukommen.
Dabei geht es keinesfalls darum, die Leistungen einzelner Parteien, einzelner Politiker*innen oder Referatsleiter*innen zu kritisieren. Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass die Situation wirklich schwierig ist:
Es gibt einfach zu viele nationale und internationale Krisen; zu viele offene Aufgaben und komplizierte Baustellen; zu viele Abhängigkeiten von widerstreitenden Stakeholdern; und gleichzeitig viel zu wenig Ressourcen und vor allem zu wenig Geld um alle diese Probleme gleichzeitig lösen zu können.
Aber es wäre auch verkehrt, sich damit einfach abzufinden. Andere Städte wie Paris oder Wien kriegen es besser hin. Wir müssen uns also bewegen. Und zwar schnell. Und in eine bestimmte Richtung.
Was dabei auf dem Spiel steht, ist dabei nicht allein unsere Zukunftsfähigkeit, sondern das Vertrauen der Menschen in die Leistungsfähigkeit demokratischer Gestaltungsprozesse. Oder anders formuliert: Wenn es uns nicht gelingt, die konkreten Probleme der Bevölkerung in absehbarer Zeit zu lösen, werden die Konflikte und Radikalisierungen weiter zunehmen. In diesem Sinne ist die effektive Bewältigung der anstehenden Herausforderungen mit demokratischen Mitteln die beste Waffe gegen antidemokratische Destabilisierungsversuche.
Was es also braucht, ist eine neue Strategie. Oder auch eine größere Anstrengung. Was es braucht, ist eine neue strategische Anstrengung, die es uns erlaubt, die Kräfte zu bündeln und gemeinsam voranzuschreiten.
Eine Anstrengung, die Zuständigkeiten nicht auf andere abschiebt, sondern Verantwortung übernimmt.
Eine Anstrengung, die Probleme nicht schönredet, sondern gerade die schweren Brocken anpackt.
Eine Anstrengung, die sich antidemokratischen Kräften entgegenstellt und allen Destabilisierungsversuchen zum Trotz wichtige Zukunftsvorhaben auf offene und partnerschaftliche Weise umsetzt.
Dafür brauchen wir mehr Zusammenarbeit.
Und zwar auf allen Ebenen:
zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft;
zwischen verschiedenen Ressorts und Hierarchieebenen;
aber auch zwischen Senat und Bezirken;
und damit letztlich zwischen den Regierungsparteien –
und der Opposition.
Was es also braucht, ist eine Art reanimierter Gesellschaftsvertrag, der es uns ermöglicht, mit Hilfe eines breiten Bündnisses der Bürgerschaft wirklich etwas in Bewegung zu bringen.
Vor der letzten Wahl ist der Vorschlag zirkuliert, eine Übergangsregierung aus allen demokratischen Kräften zu bilden, um die gewaltigen Probleme der Hauptstadt endlich in den Griff zu kriegen. Dieser Vorschlag hat sich bekanntlich nicht durchgesetzt. Das ändert aber nichts daran, dass er im Grunde richtig war: Dass es eben einer gemeinsamen Anstrengung und eines gemeinsamen Bündnissesbedarf, um die ganz dicken Bretter zu bohren.
Und genau ein solches Bündnis brauchen wir heute für die Kunst und Kultur in der Stadt!
Als Stiftung Zukunft Berlin stehen wir für ein solches Bündnis genauso zur Verfügung wie viele andere Verbände, Initiativen und Personen, die auch heute Abend hier vertreten sind. Dabei haben wir alle nicht einfach nur unsere eigenen Interessen, sondern auch eine Menge zu bieten: Ideen, Erfahrungen, fachliche Expertise, praktische Kompetenzen, manchmal sogar Geld und immerhin unsere Lebenszeit. Wir haben auch eine Vorstellung davon, wie ein solches Bündnis funktionieren könnte. Das Berlin Forum ist hierfür ein Beispiel.
Was wir brauchen, ist die Bereitschaft von Politik und Verwaltung, die Potentiale der Bürgerschaft für diese Stadt auch tatsächlich mit zur Entfaltung bringen zu wollen. Das beinhaltet vor allem ein Bekenntnis zu kontinuierlichem Austausch, verbindlichen Absprachen und transparenten Entscheidungen. Wenn die Kommunikation funktioniert, können auch schwierige Situationen konstruktiv besprochen und mitgetragen werden. Demokratie artikuliert sich immer auch in Kompromissbereitschaft.
Wir würden uns deshalb ausgesprochen freuen, wenn es uns heute Abend gelingen könnte, ein solches Bündnis mit Ihnen, lieber Herr Chialo, auf den Weg zu bringen.
Und ich erlaube mir, die anderen heute anwesenden Parteien hierzu gleich mit einzuladen.
Berlin braucht heute mehr denn je ein stärkeres Miteinander.
Wir freuen uns auf den gemeinsamen Austausch! Vielen Dank.